Ein Mai-Morgen
Es ist wieder einer dieser Morgen. Um genau zu sein, ist es DER Morgen. Der 1. Mai. Aufgang der Bockjagd.
Es ist schon recht hell im Wald, während die Reifen des Autos langsam über den geschotterten Weg knirschen. Zuallererst mussten noch Freunde von mir auf ihre Sitze gebracht werden. Meine Waffe liegt schon bereit auf der Rückbank und auch der Rucksack ist gepackt. Vorsichtig nehme ich alles aus dem Auto. Es sind nur ein paar hundert Meter bis zum Sitz. Auf meinem Weg dorthin begrüßt mich schon der Kuckuck. Von einer Stille im Wald kann heute Morgen nicht die Rede sein. Von überall hört man das Vogelgezwitscher. Ein wahres Konzert erfüllt die klare Morgenluft.
Ich bin noch gar nicht richtig auf meiner Kanzel eingerichtet und prüfe gerade die Sicht durchs Zielfernrohr, da fällt mir ein dunkler Schatten an der Schneisenkante auf. Langsam schiebt sich ein großer Körper aus dem Dickicht und betritt vorsichtig sichernd die grüne Flur. Es scheint mir ein kräftiges Rotschmaltier zu sein. Trotz seiner Größe ist das Haupt noch elegant und zart, der Träger wirkt zerbrechlich. In aller Gemütlichkeit beginnt das Stück zu äsen. Hier ein Blättchen, dort ein bisschen frisches Grün. Es ist beinahe ein wenig unbedarft für seine Gattung, stört sich nicht an dem Hasenreigen der vor seinen Augen stattfindet. Als dann jedoch ein Schuss im Feld fällt, erschreckt es sich genauso sehr wie ich. Mit einem großen Satz verschwindet es auf der anderen Seite der Schneise. Ein paar Sekunden später steckt es jedoch neugierig sein Haupt wieder heraus und äugt ganz fleißig nach rechts und links. Irgendwann scheint es ihm jedoch genug und es setzt seinen Weg in Richtung Einstand fort. Die Uhr zeigt mittlerweile halb sechs. Die Hasen hoppeln weiter um mich herum und ich beobachte das Schauspiel. Fast ein bisschen früh für solche Spielereien, denke ich mir und überlege noch einen Moment wieder die Augen zu schließen. Vorher will ich aber noch einmal die Umgebung prüfen.
Vögelchen, Hasen, Tauben im Balzflug und das? Ein kleiner Busch wackelt zu meiner linken. Wind haben wir jedoch fast keinen. Ein zweiter Blick. Schritt für Schritt kommt ein Stück Rehwild hinter diesem Busch hervor. Wieder wackelt es verdächtig. Das Haupt wird eifrig an den dünnen Ästen geschuppert und gefegt. Mein Blick wandert zwischen die Lauscher. Eine Stange, zweite… ja. Wo ist die zweite Stange? Ungläubig schaue ich noch einmal durch mein Fernglas. Tatsache. Vor mir kommt ein einstangiger Bock aus dem Einstand. Ich werde leicht nervös und rutsche mit dem Hintern auf dem Sitz hin und her. Langsam muss ich die Büchse auf die andere Seite bringen. Der Bock lässt sich nicht beirren – ist er doch zu sehr mit sich selber beschäftigt. Ein kurzer bestätigender Blick durchs Zielfernrohr und die Kugel sucht sich ihren Platz auf dem Blatt. Ein Satz. Bock weg.
Ein paar Meter weiter höre ihn schlegeln. Für einen kurzen Moment bin ich abermals sprachlos. Bewegt von dem Moment und dem Morgen. Langsam und leise hole ich die Hülse aus dem Patronenlager.
Ich schließe die Augen und höre die Vögel zwitschern.
Nun sitze ich auf meinem Sitz, schreibe diese Zeilen und merke, wie sich das gerade Erlebte nur noch fester in meiner Erinnerung verankert. Den restlichen Morgen besuchen mich nur noch ein paar Hasen und ich warte darauf, dass auch die anderen Erfolg vermelden können.
Es ist kurz vor acht Uhr. Eigentlich wollen wir gleich abbaumen und den Weg Richtung Ferienwohnung antreten, da wechselt wieder ein Stück Rehwild auf die lange Schneise zu meiner Linken.
Was das für ein Stück Rehwild ist, lässt sich selbst ohne Fernglas mühelos sagen. Ein starker Bock. Gut vereckt mit sechser Stangen. Er stolziert die Schneise zu mir herauf. Plätzt hier, plätzt da und zeigt sich von seiner besten Seite.
Meine Büchse bleibt diesmal jedoch an ihrem Platz. Gerne lasse ich ihn passieren und weiß, dass sich jemand anderes die nächsten Tage sehr über einen solchen Bock freuen würde. Und geteilte Freude ist immer noch die größte Freude. Vor allem bei der Jagd.
Da bist Du wieder und lässt uns Teilhaben. Waidmannsheil Jaegerdeern.
Waidmannsdank“
Schön, das du mal wieder was schreibst. Vielen Dank.
Dankeschön!