Schwarze Julimondnächte
Ich muss gestehen, dass ich niemand bin der vor Freude in die Luft springt, wenn es darum geht nachts den Sauen nachzustellen.
Welch ein Glück für mich also, einen Partner an meiner Seite zu haben, dessen Lebensinhalt fast ausschließlich daraus besteht.
Es ist Juli und der Weizen steht satt in der Milchreife. Auch der Mond lässt noch genügend Licht auf die Erde fallen und so werde ich zu einer Stunde in mein Revier getrieben, zu der andere schon längst schlafen. Wenn ich ehrlich bin würde ich im Moment auch lieber das Bett aufsuchen, doch Marius will mit mir auf Sauen pirschen. So heißt es für mich nicht in den bequemen Pyjama hüpfen, sondern rein in die Jagdkleidung und ran an das Schwarzwild.
Während der Autofahrt fallen mir immer mal wieder die Augen zu. Ich denke nicht im Traum daran, dass wir heute in irgendeiner Weise erfolgreich sein würden. Sagen doch die passionierten Schwarzwildjäger immer, dass es meist sehr lange dauert bis man bei dieser Jagd Erfolg vermelden kann. Wie sehr ich mich bei meinen Gedanken irre, weiß ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht.
Ich weise Marius an unseren „Lindenberg“ hochzufahren, um dort die erste Pirsch zu beginnen. An diesem Platz waren die letzten Wochen des öfteren Sauen im Weizen gewesen und hatten dort nicht wenig Schaden hinterlassen. Zumal direkt neben diesem Schlag ein großer Rapsschlag liegt, der als Deckung recht dienlich ist.
Oben angekommen lassen wir den Wagen in einer Kurve stehen. Leise öffnen wir die Türen. Ich gehe um das Auto herum und wühle unter einem Berg aus Jagdutensilien mein Fernglas, sowie den Gehörschutz hervor, lehne den Pirschstock ans Auto und ziehe mir einen Pulli über. Selbst im Sommer finde ich es nachts sehr frisch.
Während Marius die Waffe lädt und die Wärmebildkamera kontrolliert, ruft im gegenüberliegenden Wald ein Käuzchen. Heißt dies nicht, dass in der Nähe Sauen ziehen? Gedankenverloren starre ich gen Nachthimmel als ich angestupst werde, um mir zu bedeuten, dass wir los können.
Langsam pirschen wir den Schotterweg entlang als ich ein leises Fluchen vernehme. Die Batterien von Marius Gehörschutz sind leer. Wir sind noch nicht weit gekommen und so eilen wir bedacht zum Auto zurück. Es dauert einen kurzen Moment bis die passenden Energiespender gefunden sind. Schnell soll es deshalb wieder los und so fällt in einem Augenblick der Unachtsamkeit die Tür des Wagens zu. Flüsternd zische ich Marius zu: „Die Nacht beginnt richtig gut! Nun kann es ja nur noch besser werden“ und lache in mich hinein. Amüsiert pirschen wir wieder los.
Die kleinen Steine knirschen leise unter unseren Sohlen. Mein Gesicht wird von einer leichten Brise umspielt, was bedeutet, dass wir gegen den Wind pirschen. Schritt für Schritt arbeiten wir uns rechts an einer Hecke lang bis wir Blick auf die Wiesen bekommen.
Marius nimmt seine Wärmebildkamera vor die Augen und noch bevor ich überhaupt mein Fernglas heben kann höre ich: „Sauen!“
Ja klar. Genau das dachte ich auch gerade und komme mir ein wenig veräppelt vor. Wir sind nicht mal fünf Minuten unterwegs. Das kann nicht sein. Wie oft saß ich schon stundenlang bis ich die Sauen das erste Mal gehört habe und wie oft kamen sie erst gar nicht.
Schon bekomme ich die WBK vor mein ungläubiges Gesicht gedrückt.
Oh. Ich staune nicht schlecht. Da im Weizen leuchten tatsächlich zwei weiße Punkte. Sie stehen nicht weit entfernt, vielleicht 150m. Mit einer guten Optik bräuchte es nicht mehr viel um einen sicheren Schuss abgeben zu können.
Fragend schaue ich Marius an. Ich weiß noch überhaupt nichts über das Pirschen im Weizen geschweige denn über das anpirschen von Sauen. Im dunkeln sehe ich seine Augen leuchten. In ihnen spiegelt sich definitiv die Schwarzwildpassion wieder und ich kann nur ahnen was nun auf mich zukommt.
„Ich würde sagen jetzt heißt es Schuhe aus, Hose runter und ran da!“ flüstert Marius mir zu.
Viel kann ich dem nicht mehr entgegenbringen und so stehe ich keine Minute später nur noch in meiner langen Elli (für diejenigen die das nicht wissen: meine lange Unterhose) da.
Der Wind passt perfekt und so nehmen wir die ersten Fahrspuren zum pirschen. Marius läuft langsam vor mir her und schaut immer mal wieder nach den Sauen. Sie wechseln ständig aus dem Weizen und verschwinden im angrenzenden Raps. Ein hin und her, welches mich absolut nervös werden lässt.
Nach gut zehn Minuten haben wir die ersten Meter geschafft. Meiner Meinung nach sind wir schon ziemlich dicht, doch als ich nachfrage stehen wir immer noch gute 100m entfernt. Marius erklärt mir die Sachlage. Vor uns befinden sich zwei Überläufer. Beide sind auf den ersten Blick weiblich und führen augenscheinlich keine Frischlinge. Wir müssen jedoch nicht nur zum besseren ansprechen näher pirschen, sondern auch, weil Marius es liebt so nah es geht an die Sauen zu kommen. Von mir aus könnten wir auch hier stehen bleiben, doch ein leichtes ziehen an meinem Pullover sagt mir, dass dies keine Option darstellt.
Auf jeden Weizenhalm bedacht schleichen wir weiter. Ab und zu bekomme ich zugeflüstert warum wir jetzt stehen bleiben, wieso wir die Fahrspur wechseln und er nun hinter mir geht, wie ich den Pirschstock zu halten habe und so weiter. Glücklicherweise merke ich dadurch nicht wie nah wir den Sauen schon sind bis ich ein Schmatzen vernehme. Abrupt bleibe ich stehen. Ich drehe mich um und Marius bedeutet mir jetzt ganz leise zu sein. Keine 30m von uns steht eine der zwei Überläuferbachen und labt sich an dem köstlichen Weizen.
Langsam beginnen meine Knie zu zittern. Nicht etwa weil ich Angst habe, aber so nah war ich Schwarzwild noch nie und eine gehörige Portion Respekt habe ich vor dieser Wildart.
Mit äußerster Vorsicht stelle ich das Dreibein vor mir auf. Marius reicht mir von hinten die Büchse und ich positioniere sie vor mir.
Auf diese kurze Distanz ist kein Zweifel mehr offen. Dieses Stück kann erlegt werden.
Durch das Zielfernrohr versuche ich die Sau zu finden, um im passenden Moment einen Schuss antragen zu können.
„Noch nicht“, wird mir über die Schulter ins Ohr geflüstert: „Wir gehen noch näher ran!“
Mit der Waffe auf dem Dreibein positioniert pirschen wir, womöglich in Zeitlupe, noch weiter. Ich kann die Sau mit meinem bloßen Auge erkennen und glaube fast sie gleich berühren zu können.
Ich muss stehen bleiben. Fürs erste Mal reicht mir diese Distanz. Es sind vielleicht noch 15 oder 20 Schritt bevor wir direkt neben der Sau stehen würden. Ich kann sie riechen, sie hören, doch uns hat sie noch nicht bemerkt. Genüsslich drückt sie den Saft aus dem Spelz.
Erneut gehe ich in den Anschlag. Marius flüstert mir ein letztes wichtiges Detail ins Ohr. Nicht auf das schießen, was ich oberhalb des Weizens von der Sau sehen kann. Damit kein Krellschuss angetragen wird, muss ich etwas in den Weizen rein schießen.
Ich hole noch einmal tief Luft und warte konzentriert bis die Sau ihr Haupt hebt, um ein ganzes Bild vom Wildkörper zu bekommen. Den Rotpunkt lasse ich tiefer sinken und platziere den Schuss.
Ein Knall zerreißt die Nacht. Im Raps hört man die andere Sau flüchten. Vor uns ist nichts mehr zu sehen.
Wir rennen zu der Stelle an der mein Stück bis eben noch stand, um im Notfall einen Fangschuss anzutragen.
Als wir dort ankommen ist die Sau jedoch bereits verendet und ich werde von einer gehörigen Portion Jagdfieber geschüttelt.
Eine feste Umarmung und ein dickes Waidmannsheil lassen mich das gerade Erlebte realisieren.
Ich bücke mich zu der Sau hinunter und lasse die Hand über die borstige Sommerschwarte fahren. Der Einschuss liegt direkt auf dem Blatt. Mehr als glücklich strahle ich zu Marius hoch.
Ein wenig später stehen wir neben der aufgebrochenen Sau, schauen in den klaren Sommernachtshimmel und warten auf den Revierpächter.
Als er ankommt habe ich das Gefühl, dass er sich fast noch ein wenig mehr freut als ich mich selber. Ein kräftiger Händedruck überreicht mir meinen Erlegerbruch, gefolgt von einer weiteren Umarmung.
Schöner könnte diese Nacht nicht enden!
Hallo Jaegerdeern,
mit Freude habe ich diese Jagdgeschichte gelesen. Ein tolles Gefühl, wenn man eine Sau gestreckt hat. Ich kann es nachvollziehen. Erst gestern Abend habe ich zwei Stunden an/in einem Weizenfeld verbracht, um auf die Sauen zu warten. Leider war mir Diana nicht hold. Sie haben sich nicht blicken lassen. Vom Ansitz habe ich schon einige Schwarzkittel erlegen dürfen. Das Sauenfieber hat auch mich schon lange gepackt.
Deinen Blog habe ich durch Zufall gefunden. Der Browser hat nun einen neuen Favoriten. Vielen Dank für diese Episode und weiter so!!!
Wmh ..toll geschrieben/beschrieben ..auch weiterhin guten Anblick
Vielen Dank, das freut mich zu hören!